11.11.2021 - Als Wissenschaftler entwickelte Leonardo Gedanken, die in ihrer Kühnheit und Phantasie einzigartig sind. Am interessantesten sind seine Vorschläge für neue Waffen und neue Anwendungsmöglichkeiten von Maschinen. Sein ungestümer Wissensdrang ließ ihn zu vielen merkwürdigen Schlüssen und außerordentlichen Erfindungen kommen.
Leonardos Zeichnungen neuer, schrecklicher Kampfmittel offenbaren vielleicht am besten seinen großen Erfindungsreichtum und sind Zeichen der Zeit, in der er lebte: eine Übergangszeit von Armbrustschützen und berittenen Truppen zu Füsilieren und Kanonieren.
Das Ausmaß seiner Erfindungen ist atemberaubend; er ersann Kanonenkugeln mit Schrapnellladung, Raketen, Wurfgeschosse, Hinterladerkanonen, Schnellfeuergeschütze, Dampfkanonen, Kanonen mit mehreren Rohren, zahlreiche Schleudermaschinen, Leitern zur Mauererstürmung und Schiffsbrücken. Seine Phantasie sprühte von Einfällen, die zu Hunderten skizziert, verworfen und neu durchdacht wurden. Nicht selten waren seine Entwürfe völlig undurchführbar, aber das hemmte seine Phantasie nicht. Sie waren der treibende Motor, und das allein war entscheidend. Seine Vorstellungen, die seinen Zeitgenossen utopisch erschienen sein müssen, ließen sich erst mit fortschreitender Technisierung in neuerer Zeit verwirklichen.
Sein erfinderischer Geist beschäftigte sich auch mit Entwürfen für mechanische Vorrichtungen aller möglichen Arbeiten. Seinen Forschungen lag das Verlangen zugrunde, Maschinen zu ersinnen, welche die Arbeitsprozesse der damaligen Zeit vereinfachen und beschleunigen sollten. Um dieses Ziel zu erreichen, wandte er miteinander verknüpfte Mechanismen an, d.h. er versuchte, mechanisch angetriebene Maschinen zu entwickeln; hierin ein Vorläufer des modernen Menschen mit seiner Suche nach arbeitssparenden Maschinen und ihrer besseren Nutzung.
Man kann nur vermuten, warum Leonardo arbeitssparende Maschinen so wichtig waren, denn er lebte weder in einer Sklavenhaltergesellschaft, die keinerlei Anreiz bot, Maschinen zu entwickeln, die über einfache Geräte hinausgingen, da Arbeitskräfte reichlich und billig vorhanden waren, noch lebte er in einer Industriegesellschaft, in der bei kostenintensiven technischen Geräten bereits geringe Abweichungen über Gewinn oder Insolvenz entscheiden. Während dem Techniker heute Energiequellen wie Gas, Strom oder der Verbrennungsmotor zur Verfügung stehen, machte Leonardo das Fehlen einer solchen Kraftquelle ständig zu schaffen. Deshalb suchte er nach immer neuen Möglichkeiten, Hin- und Her-Bewegung in eine Drehbewegung umzusetzen, das wesentliche Element aller Maschinen. Zu diesem Zweck experimentierte er mit Zahngesperre, Getrieben, Nocken, Flaschenzügen, Kurbeln, Gestänge sowie Zahnstangen und Zahnrädern; er bediente sich der Wind- und Muskelkraft, des Federantriebs und des Schwungrades.
Die Aufzeichnungen
Leonardo hatte die Angewohnheit, seine Gedanken auf die Seiten seiner Notizbücher zu skizzieren, wie sie ihm in den Sinn kamen. Deshalb finden sich Eintragungen über Malerei oder die schuldige Miete neben Zeichnungen von Kriegsmaschinen, Pflanzen oder geometrischen Figuren. Immer wieder skizzierte er seine Gedankengänge auf Papier, untersuchte er die verschiedenen Einfälle auf ihre Möglichkeiten hin. Als Künstler konnte er seine Vorstellungen, Entwürfe, Gedankenmodelle und ihre Anwendungsmöglichkeiten viel besser mit dem Bleistift darstellen als mit Worten. Diese künstlerische Fertigkeit, gepaart mit modernem Interesse für Maschinenelemente, rückt sein Werk in die Nähe der technischen Zeichnungen des 20.Jahrhunderts. Tatsächlich wurde die technische Zeichnung erst mit Diderots Encyclopedie so klar und instruktiv.
Leonardo verfasste seine Notizen in Spiegelschrift, das heißt, er schrieb von rechts nach links. Dieses merkwürdige Phänomen wurde damit erklärt, dass er seine Schüler und andere daran hindern wollte, seine Gedanken zu lesen. Das ist natürlich Unsinn, denn man brauchte nur einen Spiegel zu nehmen und konnte seine Handschrift genauso leicht lesen wie bei der üblichen Niederschrift. Bis jetzt wurde keine überzeugende Erklärung für diese Umkehrschrift gefunden. Mediziner neigen zu der Ansicht, Leonardo sei zwar Rechtshänder gewesen, habe sich aber in seiner Kindheit die rechte Hand verletzt und deshalb mit der linken Hand zu schreiben begonnen. Ihrem Instinkt entsprechend würden ähnlich verletzte Kinder, mit der linken Hand von rechts nach links schreiben, würde man sie nicht frühzeitig daran hindern.
Leider sind nur wenige seiner Schriften überliefert, und die erhaltenen Skizzenbücher sind neu gebunden und nicht mehr in ihrer ursprünglichen Anordnung. Es fehlen ausgerissene Blätter, die verloren sind.
Das Museum
Im Leonardo Museum in Vinci kann man viele seiner Skizzen und Nachbauten seiner Erfindungen besichtigen. Eine Führung über 2,5 Stunden mit Wanderung zum Geburtshaus bieten wir unseren Gruppen zu 165,- Euro an.
Wer mit naturwissenschaftlichen und Kunstgeschichtlichen Gruppen auf Klassenfahrt in Italien ist, für die ist das Zusatzprogramm Vinci und das Museo Leonardiano ein Muss. Aber auch bei einem Kurztrip vom Gardasee nach Mailand darf ein Besuch im Museo nazionale della scienza e della tecnologia Leonardo da Vinci. In Venedig kann man ebenso das Leonardo da Vinci Museum Venice besuchen mit oder ohne vorgebuchte Führung. Auch in Rom kann man eine Führung im Museo Leonardo Da Vinci Experience buchen, absolut lohnenswert.
Vanessa Hauswirth